Die größte Überlebenschance gab es für diejenigen, die nicht „erfasst“ wurden und damit gar nicht erst in den Prozess der Vernichtung gerieten. Auf diese Weise überlebte beispielsweise Eduard Holomek. Ihm war es noch 1941 mit Hilfe eines Freundes gelungen, in das Verzeichnis junger Männer, die zur Arbeit ins Reich geschickt wurden, aufgenommen zu werden. Während des Krieges arbeitete er in einer Munitionsfabrik bei Wien.1
Andere versuchten sich zu retten, indem sie aus den Lagern flüchteten. Doch Flucht bedeutete keinesfalls Sicherheit. Größere Gruppen (z.B. Familien) bewegten sich langsamer, waren auffälliger und hatten Schwierigkeiten, Unterkunft und Nahrung zu finden. Ein Einzelner hatte vielleicht eine bessere Chance zu entkommen, musste sich andererseits jedoch oft entscheiden, seine Lieben zurückzulassen, ohne zu wissen, ob er sie jemals wiedersehen würde. Die Geflohenen mussten sich nicht nur vor den Sicherheitsbehörden, sondern auch vor der Mehrheitsbevölkerung verstecken. Obwohl es Menschen gab, die versuchten, auf verschiedene Weise zu helfen, z.B. durch die Bereitstellung von vorübergehender oder dauerhafter Unterkunft oder Nahrung, waren bei weitem nicht alle bereit, Risiken einzugehen und zu helfen, noch weniger, wenn es um "Zigeuner" ging, die durch Vorurteile stigmatisiert waren und und verachtet wurden. Die auf den Völkermord abzielenden Maßnahmen der Behörden basierten auf den rassistischen Einstellungen der damaligen Gesellschaft, die größtenteils einverstanden war. Auch wurde dem Antiziganismus, ähnlich wie dem Antisemitismus, während des Nazi-Regimes ständig durch Propaganda in Presse und Rundfunk Vorschub geleistet.
Zilli Schmidt (geboren 1924 als Zilli Reichmann), eine deutscher Sintezza, die im November 1942 aus dem Zigeunerlager
in Lety
u Písku floh, erlitt ein schmerzliches Schicksal. Nach einigen Tagen auf der Flucht im Protektorat wurde sie verhaftet und
im März 1943 nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Später im selben Jahr traf sie dort auch ihre dreijährige Tochter, ihre
Eltern und andere Verwandte, die inzwischen ebenfalls im Zigeunerlager
in Lety u Písku, später auch in Hodonín u Kunštátu
inhaftiert waren, bevor sie nach Auschwitz-Birkenau deportiert worden waren. Während Zilli am 2. August 1944 weiter nach
Ravensbrück deportiert wurde, wurde der Rest der Familie an diesem Tag in die Gaskammer geschickt. Später entkam Zilli aus
einem der Außenlager des KZ Ravensbrück und versteckte sich in Berlin, wo sie befreit wurde. Nach dem Krieg ließ sie sich
in Deutschland nieder, wo sie noch heute lebt und von ihrer Verfolgung berichtet.2
Einige Personen beteiligten sich auch aktiv am Widerstand gegen die Nazis. So z.B. Josef Serinek (1900-1974), der im Herbst
1942 erfolgreich aus dem Zigeunerlager
Lety u Písku floh und eine Partisanen-Einheit mit dem Namen Čapajev
, oft aber auch
als černý
(schwarz
) bezeichnet, gründete und anführte, wodurch er im Böhmisch-Mährischen Hochland Ruhm erlangte.3 Ein
weiterer Kämpfer war Antonín Murka (1923-1989), der sich nach seiner Flucht aus dem Zigeunerlager
Hodonín u Kunštátu
dem Widerstand in seiner Heimatregion Valašsko (Walachei) in Mähren anschloss.4
Das nächste Kapitel: Fazit