Im Sommer 1942 sahen sich die Roma und Sinti im Protektorat
einer Form der Verfolgung ausgesetzt, die sie unabhängig von
allen anderen Umständen nur aufgrund ihrer Rasse
betraf. Entscheidend hierfür war die Verabschiedung des Dekrets zur Bekämpfung
des Zigeunerunwesens
durch den Innenminister des Protektorats, Richard Bienert, am 24. Juni 1942 bzw. der zugehörige Ausführungserlass
vom 10. Juli 1942. Die Verordnung wurde vom Oberbefehlshaber der nichtuniformierten Protektoratspolizei, Horst Böhme, erlassen,
dessen Dienststelle mit der Bekämpfung des Zigeunerunwesens
im Protektorat betraut war.1 Auch hier handelte es sich um eine
Maßnahme, die die gleichnamige deutsche Regelung, die seit Ende 1938 im Reich in Kraft war, kopierte.2 Die Verordnung sah
unter anderem die Erstellung eines neuen amtlichen Registers aller als Zigeuner
bezeichneten Personen vor. Eine ähnliche
Erfassung der Zigeuner
auf der Grundlage des sogenannten Festsetzungserlasses
hatte im Reich bereits im Oktober 1939 stattgefunden.3
Zigeuner auf die gleiche Stufe mit den Juden gestellt
. In: Venkov. Orgán České strany agrární. [Das Land. Organ der tschechischen
Agrarpartei], Prag, 11. April 1942, Nr. 37, S. 2.4
Titel und erste Seite des Befehls des Oberbefehlshabers der nichtuniformierten Protektoratspolizei vom 10. Juli 1942 Nr.
St. I / II-17-100-78 Bekämpfung des Zigeunwesens
. (Moravský zemský archiv v Brně [Mährisches Landesarchiv in Brünn]).
Nach dem Befehl zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens
registrierten Protektoratsgendarmerie und -Polizei in Zusammenarbeit
mit den Bezirks- und Gemeindebehörden vom 1. bis 3. August 1942 auf Anweisung der deutschen Kriminalpolizei alle Zigeuner,
Zigeuner-Mischlinge und nach Zigeunerart Lebenden
. Sie erstellten umfangreiche Dokumentationen, füllten Fragebögen in tschechischer
und deutscher Sprache aus, machten Fotos und nahmen Fingerabdrücke. Insbesondere sollten die Gendarmen und Polizeibeamte
besondere Sorgfalt in Bezug auf Daten zum familiären Hintergrund, die drei Generationen zurückreichen mussten, walten lassen.
Alle in diesem Prozess erstellten Dokumente sollten der Kriminalzentrale in Prag übergeben werden. Konkrete Anweisungen wurden
bei einem Arbeitstreffen der Kommandeure der Kriminalpolizei, der Kommandeure der Gendarmeriestationen und der Kommandeure
der Anhaltelager
am 15. Juli 1942 in Prag in der Kriminalzentrale, die für die Lösung der
im Protektorat zuständig
war, erteilt. Die Dokumente wurden von der Reichszentrale zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens gesammelt.5
Zigeunerfrage
Die Entscheidung, ob es sich bei einer Person um einen Rassezigeuner
oder einen Zigeuner-Mischling
handelte, wurde zunächst
den einzelnen Polizeibeamten überlassen, die die Erfassung durchführten. Deren Entscheidungen waren jedoch vorläufig.6 Die Kriminalzentrale
in Prag traf später die endgültige Entscheidung über die Rassenzugehörigkeit
und damit über das weitere Schicksal der
Betroffenen. Dieser schrittweise Prozess dauerte mehrere Monate an.
Artikel Erfassung der Zigeuner im Protektorat
. In: Lidové noviny [Volkszeitung]. Brünn, 31. Juli 1942, Nr. 50 (Mittagsausgabe),
S. 2.7
Das nächste Kapitel: Die Internierung in Zigeunerlagern