Am 16. Dezember 1942 erließ der Chef der deutschen Polizei und der SS, Heinrich Himmler, den so genannten “Auschwitz-Erlass”, der die Inhaftierung aller“ Zigeuner, Zigeuner-Mischlinge und nichtdeutschen Angehörigen der Roma-Gruppen balkanischer Herkunft” im Vernichtungs- und Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau anordnete. Diese Deportationsanordnung galt für das Gebiet des Großdeutschen Reiches, für das “Protektorat Böhmen und Mähren”, Belgien, die Niederlande und Luxemburg. Himmlers Erlass wurde in der Folge vom Reichssicherheitshauptamt am 29. Januar 1943 durch eine Durchführungsverordnung und am 30. Januar 1943 durch die Anweisungen zur Beschlagnahme des Eigentums von “Zigeunern” als “Reichsfeinde” ergänzt.1 Zugleich bedeutete dieser Erlass das Ende aller anderen Pläne für Roma und Sinti, die die Nationalsozialisten zuvor diskutiert hatten.
Die Vorbereitung der Deportationen aus dem Protektorat wurde geheim gehalten. Die Zusammenstellung der Transporte wurde von der deutschen Kriminalpolizei angeordnet, die Durchführung selbst wurde der Kriminalpolizei und der Gendarmerie des Protektorats anvertraut. Die Kriminalpolizei entschied nach den Ergebnissen ihrer “rassischen Ermittlung”, wen sie als “Rassezigeuner” oder “Mischling” betrachtete und daher deportiert werden sollte.2
Nur Roma und Sinti mit guten Verbindungen zu dem Teil der Gesellschaft, der gute Kontakte zu den Besatzern hatte und diese zu diesem Zweck zu nutzen bereit war, hatten eine gewisse Chance, von der Deportation ausgenommen zu werden. Ein solcher Fall war die Familie des berühmten Roma-Musikers Jožka Kubík (1907-1978) aus dem Dorf Hrubá Vrbka.3 Auch für diejenigen mit einer helleren Hautfarbe bestand eine gewisse Hoffnung, teilweise gelang die Ausnahme auch durch Bestechung von Polizisten. Ende April 1943 wurde die Protektoratspolizei in Mähren von der deutschen Kriminalpolizei wegen der “hohen” Zahl der von ihr gewährten Ausnahmegenehmigungen gerügt. Die meisten dieser Ausnahmegenehmigungen wurden von der Kriminalzentrale widerrufen und die Betroffenen dennoch nach Auschwitz deportiert.4
Ursprünglich hatten die Protektoratskriminalpolizei und die nichtuniformierte Protektoratspolizei geplant, zunächst die Gefangenen der “Zigeunerlager” in Lety u Písku und Hodonín u Kunštátu zu deportieren. Diese Pläne wurden jedoch aufgrund der Typhusepidemie, die in beiden Lagern ausbrach, geändert. Die Beamten befürchteten ein Übergreifen der Epidemie auf das Konzentrationslager Auschwitz, und so wurden zunächst die bisher außerhalb der Lager lebenden Roma, Romnja, Sinti und Sintezze deportiert.
In größeren Städten, die an die Eisenbahn angeschlossen waren, wurden die Betroffenen mehrere Tage lang an so genannten Sammelstellen gesammelt, beispielsweise in Turnhallen, Gasthäusern und anderen Einrichtungen, wo sie mehrere Tage lang auf ihre Deportation warten mussten. Ihr gesamtes Geld und Eigentum wurde ihnen abgenommen, in vielen Fällen gestohlen, auf öffentlichen Versteigerungen verkauft oder vom Reich beschlagnahmt.5
Nachdem der Transport zusammengestellt war, folgte die Bahnfahrt in Güterwagen ohne Nahrung und Wasser bis vor die Tore des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau. Dort wurden Roma und Sinti aus dem Reich und anderen direkt von den Nazis kontrollierten europäischen Ländern im Sonderabschnitt B-II-e, dem "Zigeunerfamilienlager", inhaftiert, in dem nach und nach über 22.000 Männer, Frauen und Kinder interniert wurden. Die meisten von ihnen starben dort.6
Der erste Massentransport von Roma und Sinti aus dem „Protektorat“ mit 1.038 Personen verließ Brünn am 6. März 1943.7 Im Laufe des Jahres 1943 folgten weitere Transporte aus verschiedenen Teilen Böhmens und Mährens sowie aus beiden “Zigeunerlagern”, die am 10. März (650 Menschen aus Prag) und am 19. März (1.048 Menschen aus Olmütz) in Auschwitz eintrafen. Am 7. Mai verließ der Gefangenentransport das Lager in Lety u Písku (863 Menschen), und am 22. August folgte der Transport aus dem Lager in Hodonín u Kunštátu (768 Menschen). Die letzten Transporte verließen das “Protektorat” am 19. Oktober (92 Menschen aus Prag und Brünn) und am 28. Januar 1944 (37 Menschen aus Prag und Brünn). Insgesamt deportierten die Protektoratsbehörden nach und nach etwa 4.500 Personen als “Zigeuner” nach Auschwitz. Mehr als hundert weitere Personen wurden einzeln deportiert.8
Die Abschaffung des “Zigeunertums” Gemeinden befreit von Juden und Zigeunern. In: Polední List.[Abendblatt] Prag, 8. März 1943, Nr. 17, S. 2.9
Roma aus dem Dorf Bohusoudov (Bezirk Jihlava) warten auf ihre Deportation in das Konzentrationslager Auschwitz II.-Birkenau, 1943. (Foto: Muzeum romské kultury [Museum für Roma-Kultur]).
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