Aus allen Verbrechen, die die Nazis gemeinsam mit ihren Verbündeten begingen, sticht vor allem die Shoa, die beinahe erfolgreiche
Vernichtung aller europäischen Juden, hervor. Doch die nationalsozialistische Rassenideologie sprach noch weiteren Gruppen
das Recht auf Leben ab. Dies betraf vor allem Menschen mit Behinderungen und Roma und Sinti, die, als Rassezigeuner
und Mischlinge
gelabelt,
ebenfalls Opfer einer systematischen Verfolgung auf Grundlage ihrer vermeintlichen Rasse
wurden, die im Genozid gipfelte.
Juden
und Zigeunern
schrieben die Nazis im Rahmen ihrer rassistischen Weltanschauung
verschiedene Rollen zu. Erstere betrachteten
sie als den größten Feind der Menschheit
und als Parasiten
, Zigeuner
wiederum diskriminierten sie als „unterentwickelt“,
angeblich unfähig, sich um sich selbst zukümmern und asozial
. Beide Gruppen kategorisierten die Nazis als sogenannte artfremde
Rassen
, wie sich in den Nürnberger Gesetzen
und den zugehörigen Kommentaren und Durchführungsverordnungen nachlesen lässt.
Die nationalsozialistische Verfolgungspolitik baute dabei auf alten, traditionellen Vorurteilen und Stereotypen auf. Antisemitismus
und Antiziganismus waren nicht nur Teil der Rasseideologie der Nazis, sondern bildeten für die Mehrheit der Menschen in Europa
einen integralen Bestandteil ihrer Weltsicht.
Ähnlich wie die Entscheidung zur systematischen Vernichtung der Juden nicht von einem Tag auf den anderen gefällt wurde,
unterlagen auch die nationalsozialistischen Pläne für Zigeuner
einer Entwicklung. Die Endlösung
jedoch bestand in beiden
Fällen aus dem Massenmord in den Gaskammern oder der Sklavenarbeit in den Konzentrationslagern, die in der Mehrzahl der Fälle
zum Tode führte. Diese Ereignisse bezeichnet man heute als Genozid an den Roma und Sinti während des 2. Weltkrieges
, einem
Begriff, der zwar umständlich ist, aber mit dem einerseits Gemeinsamkeiten, andererseits aber auch Unterschiede zur Shoa
kenntlich gemacht werden sollen.
Während die Verfolgung von Juden im gesamten Machtbereich der Nationalsozialisten einheitlich auf deren Ermordung hinauslief,
unterschieden sich die Verfolgungspolitiken gegenüber Zigeunern
in den besetzten Ländern. Vereinfacht lässt sich sagen,
dass die Situation immer schlimmer wurde, je weiter östlich man sich befand. In den Benelux-Ländern wurden die wagenbewooners
strengen
Kontrollen unterworfen und ihre Möglichkeiten, einen Lebensunterhalt zu verdienen, stark eingeschränkt, in Frankreich erfolgte
eine Zwangsinternierung in Lagern. Auf dem Gebiet der Sowjetunion ermordeten vor allem die sogenannten Einsatzgruppen
Juden
und Roma, wo sie nur meinten, diese zu erkennen.1
Im Deuschen Reich bemühten sich die Nazis hingegen um eine sorgfältige Kategorisierung anhand der vermeintlichen Rasse
.
Wer zum Rassezigeuner
oder Zigeunermischling
erklärt wurde, wurde nach Auschwitz-Birkenau deportiert oder zwangssterilisiert.
Auf den ersten Blick mag dies weniger brutal erscheinen als der Mord in der Gaskammer, genozidal aber ist auch diese Maßnahme.
Das Protektorat Böhmen und Mähren
betrachteten die Nazis als Teil des Reiches
, und so bemühten sie sich, hier im Rahmen
der Möglichkeiten so ähnlich wie möglich wie im Altreich
vorzugehen.
Eine wichtige Rolle für den Genozid an den Roma und Sinti im Protektorat Böhmen und Mähren
spielten die Zigeunerlager
in
Lety u Písku und Hodonín u Kunštátu. Sie existierten vom Sommer 1942 bis zum Sommer 1943. Von den etwa 2 700 hier gefangenen
Frauen, Männern und Kindern starben ca. 540 aufgrund der katastrophalen Bedingungen, die in diesen Lagern herrschten. Weitere
4 500 als Zigeuern und Zigeunermischlinge
gelabelte Menschen wurden von März 1943 an in mehreren Massentransporten in das
Zigeunerlager
im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert, wo den meisten von ihnen das Leben genommen wurde. Insgesamt
waren es mehr als 5 000 Roma und Sinti aus dem Gebiet der heutigen Tschechischen Republik, die im Rahmen der nationalsozialistischen
Zigeuner
-Verfolgung ermordet wurden.
Nach dem Ende des 2. Weltkrieges kehrten aus den Konzentrations-, Internierungs- und anderen Zwangsarbeitslagern lediglich 600 Roma und Sinti in die tschechischen Länder zurück.2 Ihr Neuanfang in der wiedererrichteten Tschechoslowakei war oftmals erschwert durch körperliche Einschränkungen, die auf ihre Verfolgung zurückgingen und darüberhinaus geprägt von Trauer und Unsicherheit. Ihre Zuhause waren oft nach ihrer Deportation vernichtet worden, ihr Eigentum gestohlen oder öffentlich versteigert worden und so hatten sie keinen Ort, an den sie zurückkehren konnten.
Inhalt
In dieser Kategorie finden Sie nährere Informationen über den Genozid an den Roma und Sinti während des 2. Weltkrieg auf
dem Territorium der heutigen Tschechischen Republik. Die meisten Artikel entstanden im Rahmen des Projektes Datenbank der Opfer der nationalsozialistischen
, einige aber
auch schon während der Vorbereitungen zu diesem Projekt. Einige ältere Artikel wurden ersetzt, da ihr Inhalt nicht mehr
dem heutigen Forschungsstand entsprach. Diese Artikel wurden jedoch nicht gelöscht, sondern lediglich archiviert. Wir erheben
keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern haben uns bemüht, einen soliden Überblick über das Thema zugänglich zu machen.
Zigeuner
-Verfolgung
Terminologie
Dort, wo es inhaltlich notwendig ist, verwenden wir das Wort Zigeuner
. Dieser Ausdruck lässt sich nicht in jedem Fall durch
Roma und Sinti
ersetzen, denn mit ihm wurden auch oft Menschen bezeichnet, die sich selbst keineswegs als Roma oder Sinti
verstanden. Bis heute wird er (nicht nur) im Tschechischen auch als diskriminierendes Schimpfwort für Roma und Sinti gebraucht.
Daher verwenden wir diesen Ausdruck nur dann, wenn er sich nicht adäquat ersetzen lässt, d.h. in Zitaten oder im Bezug auf
die nationalsozialistische Rassenideologie, rassistische Stereotype oder Verfolgungspolitiken. Wenn wir ihn verwenden, dann
jedoch immer in Anführungszeichen, womit wir deutlich machen wollen, dass wir uns diesen Ausdruck keineswegs zu eigen machen
wollen. Mehr Informationen zu diesem Thema finden Sie hier.